Der Servicebetrieb Öffentlicher Raum Nürnberg (SÖR) hat im letzten Jahr angekündigt, künftig Recyclingbaustoffe für den Straßenbau zuzulassen. Aus diesem Grund wurde für die Mitarbeiter eigens ein Handlungsleitfaden zur sicheren Prüfungsanwendung erarbeitet. Diese Trendwende setzte der Technische Werkleiter der SÖR, Marco Daume, als Konsequenz auf die positiven Erfahrungen mit Recyclingmaterial in einem erfolgreichen Straßenbau-Pilotprojekt im Nürnberger Hafen mit der ortsansässigen Durmin Entsorgung und Logistik GmbH. Ein guter Erfolg für die Akzeptanz von RC-Baustoffen und ein erster Türöffner für weitere kommunale Auftragsvergaben, hofft das Bauschuttrecyclingunternehmen Durmin und weist in einem Interview mit bvse.de auf die vielen Vorteile von qualitätsgesichertem RC-Material hin.
Seit Jahren kämpft die Mineralik-Recyclingbranche um die Akzeptanz von RC-Material in der öffentlichen Vergabe mit der entsprechenden Berücksichtigung in den öffentlichen Ausschreibungsunterlagen. In einem Interview mit Dr. Döring, dem Leiter des Bereichs Qualitätssicherung und Dr. Geiger, der den Bereich Mineralik in der Durmin Entsorgung und Logistik verantwortet, hinterfragt bvse.de die von kommunalen Auftraggebern häufig angeführten Vorbehalte gegen Recyclingmaterial.
Herr Dr. Döring, Sie befassen sich mit der Qualitätssicherung im Unternehmen, bislang begegneten Ihnen vor allem bei öffentlichen Vergaben immer wieder Vorbehalte in Bezug darauf, dass RC-Baustoffe die geforderten Materialeigenschaften für einen erneuten Einsatz, beispielsweise im Straßen- oder Gebäudeneubau, nicht erfüllen können. Es scheint, dass diese Zweifel nach dem erfolgreichen Projektverlauf im Nürnberger Hafen nun endgültig ausgeräumt werden konnten, oder?
Das durchgeführte Pilotprojekt im Nürnberger Hafen hat viele Bedenken zum Einsatz von Recyclingbaustoffen ausgeräumt, da in enger Zusammenarbeit von SÖR und Durmin die einzelnen Baufortschritte des Einbaus des Recyclingmaterials genauestens begutachtet werden konnten. Fragen und Zweifel konnten im Zusammenspiel zwischen dem Bauherrn, der ausführenden Baufirma und uns als Lieferant immer direkt an der Baustelle gelöst werden. Als Resultat konnte ein Nachweis darüber erbracht werden, dass eine gleichwertige bauphysikalische Eignung der RC-Baustoffe zu Primärmaterialien festzustellen war. Zusätzlich musste aber auch beobachtet werden, dass die Tragfähigkeit des Materials entscheidend von dem eingesetzten Verdichtungsverfahren abhängt.
Um die unterschiedliche Einbauweise zu untersuchen, beteiligt sich die Firma Durmin Entsorgung und Logistik GmbH neben anderen Industriepartnern und der Technischen Universität München (TUM) aktuell an einem Forschungsprojekt, das die „Substitution von natürlichen mineralischen Baustoffen durch Ersatzbaustoffe im Erd- und Tiefbau“ zum Thema hat. Hier wurden unter anderem Probefelder mit verschiedenen Verdichtungsverfahren hergestellt und weitgreifende bauphysikalische Prüfungen an den Materialien durchgeführt. Zum Abschluss des Projektes Anfang 2019 sollten ausreichend praktische und wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die direkt in die praktische Anwendung einfließen sollen.
Aufgrund der definierten Materialeigenschaften der Recyclingbaustoffe ist es möglich, den Einsatz in unterschiedlichen Anwendungsbereichen zu gewährleisten. Zusätzlich kann durch den Einsatz modernster Aufbereitungstechnik auf entsprechende Kundenwünsche reagiert werden.
Die Durmin Entsorgung und Logistik GmbH ist einem Zusammenschluss von mehreren unabhängigen Entsorgungsunternehmen beigetreten, die sich im Bewusstsein der besonderen Verantwortung für den Schutz von Mensch und Umwelt „Die Grünen Engel“ nennen. Wie sieht es denn mit der Einhaltung der strengen umweltrechtlichen Rahmenbedingungen aus? Können RC-Baustoffe nicht oft auch mit Schadstoffen belastet sein?
Das Entscheidende ist eine durchgängige Qualitätssicherung, die schon bei der Kontrolle der Vormaterialien beginnt und dann natürlich die daraus hergestellten Produkte genauestens untersucht. Jede Anlieferung von aufbereitungsfähigem Baustoffmaterial wird durch unser Annahmepersonal begutachtet und, wenn notwendig, auch bereits vorsortiert und dann je nach Qualität in entsprechende Vorlagerboxen gekippt. Die Ausgangsmaterialien werden beprobt und, je nach Herkunft, stichprobenartig oder obligatorisch analysiert sowie durch unabhängige akkreditierte Labore auf ihre Schadstoffgehalte untersucht.
Erst nach Einhaltung der entsprechenden Grenzwerte werden sie dem Aufbereitungsprozess zugeführt. Aufgrund von modernster Aufbereitungstechnik, die uns im Nürnberger Hafen zur Verfügung stehen, ist es möglich, vorhandene Fremdstoffe quantitativ abzutrennen. Auch während des Produktionsprozesses werden Materialproben aus dem laufenden Produktionsstrom durch automatische Probenehmer entnommen und kontinuierlich auf entsprechende Schadstoffparameter und bauphysikalische Eigenschaften untersucht. Neben der Eigenüberwachung in Verbindung mit der werkseigenen Produktionskontrolle wird das Recyclingmaterial regelmäßig vom TÜV Rheinland fremdüberwacht und vom Verband „Baustoff Recycling Bayern“ zertifiziert. Nur über diese Qualitätssicherungskette ist es möglich, Recyclingbaustoffe von gleichbleibender Qualität zu erzeugen.
Seit Anfang 2012 sind „Die Grünen Engel“ nach dem internationalen Umweltmanagementsystem DIN EN ISO 14001 zertifiziert und versuchen, über entsprechenden Maßnahmen ihre Aufbereitungstechnik so umweltschonend wie möglich zu gestalten. Überdies wird das Umweltbewusstsein der Mitarbeiter durch interne und externe Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gefördert.
Wie können Sie garantieren, dass durchgehend qualifiziertes Material eingesetzt wird?
Durch ständige Überprüfungen der hergestellten Materialien und kontinuierliche Güteüberwachung mit abschließender Zertifizierung der Produkte nach den Anforderungen des bayerischen Leitfadens „Anforderungen an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken“. Durch das Zusammenspiel kann immer ein schadstofffreies Recyclingmaterial gewährleistet werden.
Herr Dr. Geiger, Sie leiten den Bereich Mineralik im Unternehmen, ist der Einsatz von RC-Baumaterialien nicht auf zu wenige Einsatzgebiete beschränkt? Lohnt sich da ein „Recycling“?
Es sind sehr vielseitige Einsatzgebiete mit Recyclingbaustoffen möglich. Bislang werden recycelte Baustoffe überwiegend als Gesteinskörnungen im Straßen-, Erd- und Deponiebau eingesetzt. Hierbei kommen den Materialien die hohe Frost-Tau-Wechselbeständigkeit, die hohe Kornfestigkeit und der Widerstand gegen Zertrümmerung des Materials, zugute. Weitere Einsatzmöglichkeiten stellen hochwertige Verwertungen als Zuschlagstoffe in Asphaltschichten dar. Die Zukunft von Recyclingbaustoffen liegt aber im Einsatz als Betonzuschlagstoff im Hochbau.
Welche weiteren Faktoren sprechen für einen verstärkten Einsatz von RC-Material?
Durch das Recycling von Baustoffen wird dringend benötigtes Deponievolumen eingespart und es kann eine ortsnahe Entsorgung im Ballungsraum Nürnberg/Fürth/Erlangen ermöglicht werden. Durch die Einsparung der entsprechenden LKW-Fahrten zu Deponien ist eine Verringerung des CO2-Ausstoßes und der Feinstaubbelastung möglich. Somit stellt das Recycling von Baurestmassen eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Alternative zur Nutzung von Primärbaustoffen dar. Gleichzeitig wird wertvoller Deponie- und Verfüllraum geschont und stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft dar.
Wenn die ökologischen Vorteile eindeutig für den Einsatz von Sekundärmaterial sprechen, warum sind diese gerade bei der Auftragsvergabe von öffentlichen Einrichtungen immer noch so wenig nachgefragt? Wie könnte dies geändert werden?
Bislang finden RC-Baustoffe nur wenig Berücksichtigung in öffentlichen Ausschreibungen oder es werden Forderungen für Einbauklassen ausgeschrieben, die von den Recyclingmaterialien per se nicht erfüllt werden können. Daher ist es äußerst wichtig, in künftigen Ausschreibungsvorgaben Recyclingmaterialien mit einzuschließen bzw. produktneutrale Anforderungen festzulegen.
Daher können wir uns beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum Nürnberg (SÖR) bedanken, die nun nach diesem erfolgreichen Pilotprojekt den grundsätzlichen Einsatz von Recyclingbaustoffen im Straßenbau ermöglichen. Durch eine Erhöhung des Wettbewerbes sollten entsprechende Bauvorhaben zukünftig kostengünstiger abgehandelt werden können. Wir hoffen, dass diesem Vorbild andere Städte und Gemeinden sowie weitere Landkreise und Kommunen folgen und es bald selbstverständlich ist, dass Sekundärbaustoffe genutzt werden. Vielleicht ist es in nicht so ferner Zukunft sogar so, dass die Nutzung von RC-Baustoffen obligatorisch ist und der Einsatz von Primärbaustoffen einer besonderen Begründung und Genehmigung bedarf!
Welche Unterstützung würden Sie sich von öffentlicher Hand und Politik wünschen?
Durch mehr gemeinsame Projekte, wie z. B. dem Pilotprojekt in Nürnberg, könnten in Zusammenarbeit auftretende Ansprüche und Bedenken von Auftraggebern und -nehmern besser und konstruktiver behandelt werden. Auch übergreifende Forschungsprojekte würden einen Vorstoß in diesem Bereich bringen, um auch von den Erkenntnissen der Wissenschaft zu profitieren. Des Weiteren wäre eine übergreifende Vorschrift für Baustellenpersonal hilfreich, damit direkt an der Baustelle geprüft werden kann, ob ein Einsatz von RC-Baustoffen möglich ist.
Durch die Verabschiedung der bundesweit verbindlich geltenden Mantelvorordnung sollten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um den weiteren Einsatz von Recyclingbaustoffen zu fördern.
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Döring und Herr Dr. Geiger!
Das Interview führte bvse.de-Redakteurin Michaela Ziss